Von Äpfeln und Birnen – Cidre und Poiré von Pierre Huet aus der Normandie - Maître Philippe & Filles

Von Äpfeln und Birnen – Cidre und Poiré von Pierre Huet aus der Normandie

Noemie Causse

Sind Sie auf der Suche nach einem alltagstauglichen und vielseitig kombinierbaren Getränk für die warme Jahreszeit? Wie wär's mit Cidre? Der ist erfrischend und fruchtig, prickelt sanft und hat nur wenig Umdrehungen. Auch köstlich und sogar noch etwas leichter, ist der sogenannte Poiré, der aus Birnen gewonnen wird.
Wir führen Cidre von Kerné aus der Bretagne und Poiré aus der Normandie vom sympathischen Familienunternehmen Pierre Huet aus Cambremer.

Domaine Pierre Huet

Hierhin hat es mich im vergangenen November verschlagen, als ich für die Sendung „Abenteuer Leben täglich“mit einem Filmteam von Kabel Eins mal wieder hinter die „Kulissen“ der Herstellung eines der berühmtesten Produkte Frankreichs schauen durfte. François-Xavier Huet, ein Ur-Urenkel des Firmengründers, nahm sich trotz gesundheitlicher Probleme viel Zeit für uns. Zwei Tage lang beantwortete er geduldig alle Fragen, ließ uns alles probieren und war ganz einfach der perfekte Gastgeber. Für diesen freundlichen Empfang und die langjährige überaus angenehme Zusammenarbeit möchte ich ihm hier ganz ausdrücklich danken. Es sind doch immer die Menschen, die den Unterschied machen und dafür sorgen, dass es entweder ein mittelmäßig bis normales Erlebnis wird oder eine rundum tolle Erfahrung, die man nicht mehr vergisst. Merci, cher François-Xavier!

Kabel Eins-Filmteam mit Noémie Causse und François Huet

In diesem Artikel wird es natürlich um die einzelnen Produktionsschritte vom Apfel zum Getränk gehen, aber auch um die Besonderheiten seines Geschmacks und darum, wie man Cidre am besten genießt und mit welchen Speisen er sich am besten kombinieren lässt.

Das Unternehmen Pierre Huet

Gegründet wurde das Unternehmen 1865 von François Huet im Manoir la Brière des Fontaines in Cambremer, auf der Route du Cidre im Pays d'Auge in der Normandie. Dennoch trägt das Unternehmen den Namen von Pierre, François Sohn, der die Geschäfte des Vaters übernahm und die Vermarktung der Produkte vorantrieb, die bis dato nicht kommerzialisiert worden waren. Nach mehreren immer im Wechsel auf einander folgenden François' und Pierres ist mit dem aktuellen François-Xavier die inzwischen fünfte Generation am Werke. François bewirtschaftet das Domaine mithilfe von nur acht Angestellten und hat seinen Sohn Marius genannt.

La Route du Cidre

Manoir la Brière des Fontaines

Tradition wird hier also groß geschrieben, aber auch Innovation. So werden die Destillierkolben zur Herstellung des Calvados, der hier auch produziert wird, nicht (mehr) mit Öl beheizt, sondern mit Holzpellets aus Domaine-eigenem Holz. Diese Destillierkolben sind zudem Teil eines ausgeklügelten ressourcenschonenden Systems, das den ganzen Winter über das gesamte Haupthaus beheizt.
Ein weiterer Beitrag zum Umweltschutz ist der weitgehende Verzicht auf Pestizide, auch wenn dadurch gegebenenfalls mit Ernteausfällen zu rechnen ist.

Apfelplantage Huet

Das 30 Hektar große Domaine ist mit Apfelbäumen bepflanzt, die 25 verschiedene Apfelsorten tragen, welche sich in 4 Klassen unterteilen lassen: süß, sauer, bitter und mittel-bitter. Die bitteren Äpfel sind nicht zum Verzehr geeignet und kommen daher nicht in den Verkauf. Ich finde sowas ja immer spannend und musste deshalb natürlich gleich mal einen probieren. Um es kurz zu machen: nach einem einzigen neugierigen Biss, landete der Apfel im Graben. Die Textur ist holzig, das Fruchtfleisch sauer und bitter zugleich und auch gar nicht recht saftig. Dennoch trägt gerade diese Kategorie Apfel zum komplexen und spannenden Aroma des fertigen Produkts bei.

Äpfel am Baum
Entsprechend finden sich sowohl auf der Plantage als auch in der fertigen Cuvée 70% bittere und saure Apfelsorten. Diese Vorgabe ist im cahier des charges, einem offiziellen Regelwerk, festgeschrieben und keine verhandelbare Auslegungssache. Ihre Einhaltung wird von der INAO (Institut National des Appellations d’Origine = nationale Institut der Herkunftsbezeichnungen) streng kontrolliert.

Was ist Cidre und was unterscheidet ihn vom hessischen Äppelwoi (Apfelwein)?

Cidre ist ein kohlensäurehaltiges alkoholisches Getränk, das aus Äpfeln hergestellt wird. Je nach verwendeter Apfelsorte ist seine Robe goldgelb bis bernsteinfarben und je nach Filtrierung ist der Cidre kristallklar oder naturtrüb. Geschmacklich lässt er sich je nach Sorte und Marke in süß, süß-säuerlich oder herb einteilen. Je länger der Cidre gärt, desto weniger süß ist er, denn die Gärung verarbeitet den im Cidre enthaltenen Zucker. Auch der Alkoholgehalt kann variieren, beträgt jedoch meist zwischen 4,5 und 6%.

Der hessische Äppelwoi enthält keine Kohlensäure, schmeckt eher herb-sauer und enthält zwischen 5 und 7% Alkohol. Diese Unterschiede sind auf die Unterschiede in der Herstellung zurückzuführen.

Produktionsschritte

Ernte: Wenn die Äpfel die richtige Reife erreicht haben, werden sie mithilfe einfacher Erntefahrzeuge geerntet. Das passiert typischerweise in der Zeit zwischen Oktober/November und Dezember.

Apfelernte

Gelagerte Äpfel

Sortierung: In einem nächsten Schritt werden die Äpfel gewaschen und sortiert. Dabei werden Steine, Stiele und Blätter entfernt.

Sortieren und Waschen der Äpfel

Sortieren und Waschen der Äpfel, 2

Zermahlung, erste Gärung und Filtrierung: Danach werden die Äpfel zu Most zermahlen, was zirka zwei Stunden dauert. In diesem Prozess werden die Enzyme freigesetzt, die zur Fermentierung notwendig sind. Der so erhaltene Most wird in einem offenen Tank gelagert. Dadurch entfalten sich die Aromen und entsteht die goldbraune Farbe. Nach rund einer Woche setzt dann auch die spontane Gärung ein, die jedoch noch einmal gestoppt wird. Und zwar durch das erneute Mahlen des Mosts und die anschließende Filtrierung, mit der die Hefen aus der Flüssigkeit entfernt werden, ohne die keine Gärung möglich ist.

Frischer Apfelmost

Alkoholische Gärung: Im April wird der Most dann in Fässer umgefüllt, wo nun die erwünschte Gärung mit den eigenen Hefen stattfindet. Diese dauert typischerweise ein bis vier Monate – je nach Zusammensetzung des Mostes und der gewünschten Aromatik des Endprodukts (s.u.).

Fässer

Flaschengärung: Der letzte Schritt ist die Flaschenabfüllung und die Flaschengärung, für die dem Cidre – erneut je nach gewünschter Aromatik – mindestens drei Monate Zeit gelassen wird. In diesem letzten Schritt entsteht nun auch die natürliche Kohlensäure, die wie bei anderen kohlensäurehaltigen alkoholischen Getränken mit Flaschengärung wie z.B. mit Champagner, nicht entweichen kann, da die Flasche ja mit einem Korken verschlossen ist. 

    Kleiner Exkurs zur Fermentierung:

    Die Fermentierung, also die Vergärung von Zucker zu Alkohol durch die Hefen ist immer abhängig von Temperatur und Hefen.
    Bei Industrieproduktionen, denen es um Kostensenkung und Massenproduktion geht, wird meist viel Hefe beigesetzt, um eine schnelle Fermentierung zu erreichen. Dies geht jedoch auch auf Kosten des Aromenspektrums, das bei Industrie-Cidre eher flach ist.
    Die Bildung komplexer Aromen, die man von traditionell hergestelltem Cidre kennt, braucht nämlich eine gewisse Zeit. Daher filtern kleine traditionelle Firmen, die aromatisch komplexe Cidre produzieren wollen, ihre Cidre auch mehrfach. Denn wie oben bereits geschildert, werden mit jeder Filtrierung die Hefen entfernt, die zur Gärung notwendig sind. Das verlangsamt die Fermentierung, denn es braucht etwa eine Woche, bis sich die neuen Hefen gebildet haben und die Fermentierung aufs Neue einsetzen kann.

    Wir haben uns einmal durch die verschiedenen Reife- und Filtrierungsgrade probiert. Das war nicht nur optisch interessant, sondern auch geschmacklich: Man schmeckt die Hefen im unfertigen Produkt deutlich heraus und kann sehr gut mitverfolgen, wie sich mit fortschreitendem Alter das Arome herausbildet.

    Verschiedene Reifegrade des Cidre

    Kombinationsmöglichkeiten der verschiedenen Aroma-Kategorien:

    In der Bretagne wird Cidre gern in Tonschalen serviert. In der Normandie trinkt man ihn wie Wein aus bauchigen kleinen Weingläsern. Seine ideale Trinktemperatur sollte nicht zu kalt sein. 10°C sind perfekt.
    Wir trinken Cidre gern als Aperitif oder zum Picknick und zwar vor, während und nach dem Essen und gehen mit Vorschriften zum Thema Food-Pairing gern flexibel und liberal um. Hauptsache ist, es schmeckt!

    Besonders bekannt und beliebt ist natürlich die Kombination mit Spezialitäten der Region wie z.B. Crêpes oder auch die Käse der sogenannten „Trilogie Normande”: Camembert, Livarot und Pont l’Évèque.

    Wenn Sie es aber gern etwas dezidierter möchten, haben wir hier noch ein paar Tipps für Sie.

    • Doux. Französisch für „süß“. Cidre dieser Kategorie reift nur rund 2 Monate und enthält mit ca. 2,5% nur wenig Alkohol. Er ist sehr fruchtig und süß und passt daher ausgezeichnet zu Desserts wie süßen Crêpes, Apfelkuchen, Tante Tatin oder auch zu herzhaften Speisen mit süßer Note, wie z.B. Schweinebraten mit Backpflaumen.
    • Pays d’Auge: Der Herkunftsgeschütze Cidre mit süß-herbem Aroma, der rund 3 Monate reift. Der Cidre Pays d’Auge unterliegt strengen Kontrollen durch das INAO (Institut National des Appellations d’Origine = nationale Institut der Herkunftsbezeichnungen). Sein Alkoholgehalt beträgt meist zwischen 3,5 und 4,5%. Er zeichnet sich durch eine gelungene Balance aus süß, bitter und einer leicht säuerlichen Note aus. Er ist äußerst vielseitig kombinierbar und passt z.B. zu Desserts mit Frucht oder Sahne, süßen und herzhaften Crêpes bzw. Galettes, aber auch zu herzhaften Speisen, hellem oder auch bestimmtem roten Fleisch wie Lamm oder Ente.
    • Brut. Französische für „herb”. Dieser Cidre reift etwa 5 Monate und enthält rund 4% Alkohol. Er hat seine Fruchtsüße weitestgehend verloren und ist dadurch erfrischender. Ein wunderbarer Aperitif, und zwar entweder pur oder auch als „Kir Normand” (mit Crème de cassis) und Begleiter für Charcuterie, rotes Fleisch oder deftige Galettes (salzige Crêpes aus Buchweizenmehl). 

    Perfekte Kombi: Cidre und süße Crêpe

    Verkostung der fertigen Cidre

    Neben dem Starprodukt Cidre produziert Huet auch Calvados und Pommeau. Der legendäre Calvados ist ein hochprozentiger Obstler, der in Deutschland – meines Erachtens zu Unrecht – im Schatten seiner großen Brüder Cognac und Armagnac steht. Der weniger bekannte Pommeau ist ein karamellbrauner süßlicher Likörwein mit nur 17% Alkohol, der pur oder on the rocks zum Aperitif getrunken wird. Beides finden Sie auch in unserem Sortiment.

    Cidre-Verkostung Anaïs und Noémie bei Maître Philippe & Filles

    Weitere Fragen beantworten wir Ihnen gern in einer persönlichen Beratung. Sprechen Sie uns an, wir helfen gern!

    >>> Hier finden Sie den Beitrag „Nationenkampf: Apfelwein vs. Cidre” aus der Sendung „Abenteuer Leben täglich” in der Kabel Eins-Mediathek.

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